08.12.18: Jahresbericht 2017/2018 der Kontrollkommissionen zur Prüfung der Transplantationsprogramme vorgelegt

08.12.18: Jahresbericht 2017/2018 der Prüfungskommission und Überwachungskommission zur Prüfung der Herz-, Lungen-, Leber-, Nieren- und Pankreas-Transplantationsprogramme vorgelegt

Bild Jahresbericht 2017/2018 der Prüfungskommission und Überwachungskommission zur Prüfung der TransplantationsprogrammeAm 06.12.18 haben die für die Prüfung der Transplantationszentren in Deutschland zuständigen Kontrollgremien von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband ihren Jahresbericht 2017/2018 vorgelegt. Darin zogen sie eine positive Bilanz ihrer Arbeit. Gleichwohl gab es bei genauerer Betrachtung einige Schatten im Lichte der vorangangenen Transplantationsskandale. So gab es in zwei Universitätskliniken offenbar systematische Unregelmäßigkeiten, über die u.a. die Staatsanwaltschaft informiert wurden.

Mit dem vorliegenden Bericht informieren die Überwachungskommission und die Prüfungskommission über ihre Tätigkeiten im Berichtszeitraum Dezember 2017 bis Dezember 2018. Im Mittelpunkt stand der Abschluss der flächendeckenden Prüfungen aller Transplantationsprogramme für die Jahre 2012 bzw. 2013 bis 2015.

„In den Transplantationszentren hat in den vergangenen Jahren ein wahrer Struktur- und Kulturwandel stattgefunden“, sagte der Vorsitzende der Überwachungskommission, Prof. Dr. med. habil. Dr. h. c. Hans Lippert laut Pressemitteilung vom 06.12.18. Ursächlich für diese positive Entwicklung sei nicht nur, dass jedes Zentrum bei Richtlinienverstößen mit Aufdeckung und gegebenenfalls dienstrechtlichen und/oder strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müsse. Vielmehr trügen die bundesweiten Prüfungen auch zur Fehlerprävention bei.

Richtlinieneverstöße „aus bloßer Unkenntnis oder aufgrund von Missverständnissen“

Mitunter komme es „aus bloßer Unkenntnis oder aufgrund von Missverständnissen“ zu ungewollten Richtlinienverstößen. „Deshalb ist es uns so wichtig, im ständigen Dialog mit den Transplantationszentren zu bleiben, Hilfestellung zu leisten und gemeinsam mit den Transplantationszentren, den Landesministerien und den Landesärztekammern eine offene Fehlerkultur zu fördern“, so Lippert.

Die Prüfungs- und die Überwachungskommission veröffentlichen einmal im Jahr sämtliche Stellungnahmen zu bisherigen Prüfungen in anonymisierter Form auf der Internetseite der Bundesärztekammer. Zudem fassen sie ihre Ergebnisse in ihrem Jahresbericht zusammen.Sie entsprechen damit dem Auftrag des Gesetzgebers und dem besonderen Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Danach halten sich „die meisten Kliniken in Deutschland“ an die Richtlinien der Bundesärztekammer für die Organvergabe. So stellten Prüfungskommission und Überwachungskommission im Bereich der Nieren-, Pankreas- und kombinierten Nieren-Pankreastransplantation keine Auffälligkeiten fest. „Das bestätigt einmal mehr die positiven Eindrücke, die wir in den letzten sechs Jahren gewinnen konnten“, sagte die Vorsitzende der Prüfungskommission, Anne-Gret Rinder, Vorsitzende Richterin am Kammergericht i. R..

Auch im Bereich der Herz-, Lungen- und Lebertransplantationen sei „weit überwiegend ordnungsgemäß und korrekt gearbeitet“ worden. „Hier kam es lediglich in einzelnen Zentren zu Fehlern, die allerdings keine systematische Vorgehensweise erkennen ließen“, berichtete Rinder.

Systematische Unregelmäßigkeiten in zwei Universitätskliniken

Hingegen stellten die Experten bei den Prüfungen des Herztransplantations-Programms am Universitätsklinikum Köln-Lindenthal und des Lebertransplantations-Programms am Universitätsklinikum Frankfurt/Main systematische Unregelmäßigkeiten fest. Hierüber informierten die Kommissionen neben den Ärztlichen Direktoren und den Landesärztekammern die zuständigen Landesbehörden und die Staatsanwaltschaften.

Konkret wurden laut Tabellen im ausführlichen Bericht in Frankfurt im Prüfungszeitraum 2012 bis 2015 insgesamt 100 Leber-Transplantationen durchgeführt. Davon wurden 59 geprüft und 22 Verstöße festgestellt. „Als Verstöße werden die von den Kommissionen festgestellten systematischen Richtlinienverstöße oder Manipulationen hinsichtlich zuteilungsrelevanter Patientendaten gewertet, die zu einer Meldung an die Staatsanwaltschaft geführt haben“, heißt es in der zugehöringen Fußnote.

Im Universitätsklinikum Köln-Lindenthal wurden im Prüfungszeitraum 2012 bis 2015 insgesamt 12 Herz-Transplantationen, inklusive kombinierter Herz-Lungen-Transplantationen, durchgeführt. Bei der Prüfung des Herz-Transplantationsprogramms wurden neun Verstöße von 12 überprüften Transplantationen festgestellt. Auch hier werden als Verstöße die von den Kommissionen festgestellten systematischen Richtlinienverstöße oder Manipulationen hinsichtlich zuteilungsrelevanter Patientendaten gewertet, die zu einer Meldung an die Staatsanwaltschaft geführt haben. Was daraus wird, ist noch offen. Weitere Details zu den Verstößen finden sich im ausführlichen Bericht zu den jeweiligen Kliniken.

Kompetenzen der Prüfungs- und der Überwachungskommission

Rinder stellte bei der Vorstellung des Jahresberichts außerdem die Kompetenzen der Prüfungs- und der Überwachungskommission in Abgrenzung zu den Kompetenzen und Befugnissen der Staatsanwaltschaften dar. Der gesetzliche Auftrag der Kommissionen beschränke sich auf die Feststellung von Verstößen gegen das Transplantationsgesetz und einschlägige untergesetzliche Regelungen, wie die Richtlinien der Bundesärztekammer.

Prüfgegenstand sei die ordnungsgemäße Durchführung und Dokumentation der in diesem Zusammenhang von den Transplantationszentren zu treffenden Maßnahmen, insbesondere die korrekte Meldung zutreffender Daten an Eurotransplant, nicht aber die Überprüfung der ärztlichen Indikationsstellung als solche. Nach der Weiterleitung festgestellter Unregelmäßigkeiten an die zuständigen Behörden der Länder entschieden dann diese über weitere Schritte in eigener Zuständigkeit und Prüfungskompetenz.

Prof. Dr. jur. Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation, wies laut Mitteilung darauf hin, dass die Erkenntnisse aus der Arbeit der Prüfungs- und der Überwachungskommission kontinuierlich in die Richtlinienarbeit der Bundesärztekammer einfließen. „Wir lernen also aus der Praxis für die Praxis“, betonte Lilie.

Er hob in diesem Zusammenhang die konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hervor. „Durch die Genehmigung des BMG erhalten unsere Richtlinien ein juristisches Gütesiegel. Die Richtlinien der Bundesärztekammer sind damit eine verbindliche Grundlage für die Vielzahl der tagtäglich in den Transplantationszentren zu treffenden Entscheidungen.“

40 Eingaben bei der Vertrauensstelle

Prof. Dr. jur. Ruth Rissing-van Saan, Leiterin der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin, gab dem Bericht zufolge einen Überblick über die Arbeit der Vertrauensstelle. Deren Aufgabe ist es, auf vertraulicher Basis Hinweise auf Auffälligkeiten im Bereich der Organspende und der Organtransplantation entgegenzunehmen und in Kooperation mit der Prüfungskommission und der Überwachungskommission zu klären.

„Im vergangenen Jahr sind insgesamt 40 Eingaben bei der Vertrauensstelle eingegangen“, berichtete Rissing-van Saan. Neben anonymen Anfragen sei die Vertrauensstelle auch von Beschäftigten in Transplantationszentren sowie von anderen in das Transplantationsgeschehen eingebundenen Stellen kontaktiert worden. Es seien insbesondere die Lebendorganspende betreffende Fragestellungen, wie etwa die Zulässigkeit von Cross-over-Lebendspenden, sowie Anfragen zur Wartelistenführung und Verteilungsgerechtigkeit bei postmortalen Organspenden eingegangen. Weiterhin gingen Fragen zur medizinischen Versorgung von Asylbewerbern ein sowie zur Zulässigkeit von Anschlussbehandlungen und zur Übernahme der Kosten bei Transplantationen im Ausland.

Fazit zur Vorlage der Tranplantationsberichte

In der Pressemitteilung zum Transplantationsbericht fällt auf, dass manche Aussagen etwas schwammig bleiben, z.B. wenn davon gesprochen wird, dass sich „die meisten Kliniken in Deutschland“ an die Richtlinien der Bundesärztekammer für die Organvergabe halten. Oder wenn es heißt, es sei „weit überwiegend ordnungsgemäß und korrekt gearbeitet“ worden im Bereich der Herz-, Lungen- und Lebertransplantationen. Nachdenklich stimmt auch, dass es mitunter „aus bloßer Unkenntnis oder aufgrund von Missverständnissen“ zu „ungewollten Richtlinienverstößen“ komme. Zu bedenken ist auch, dass keineswegs alle Transplanationen überpüft wurden, sondern in den einzelnen Kliniken nur auf der Grundlage einer Stichprobenauswahl erfolgten.

Insgesamt wirft der Bericht die Frage auf, wie es wohl in all den Jahren vor diesen Kontrollen und dem Aufkommen der Transplantations-Skandale 2012 zugegangen ist und bevor das Bewusstsein für diverse Probleme geschärft wurde. Eine diesbezügliche Überprüfung dürfte es wohl erstmal nicht geben, solange die anderen Arbeiten nicht abgeschlossen sind.

Ergänzende Informationen

PDF-SymbolTätigkeitsbericht 2017/2018 (6. Dezember 2017 bis 5. Dezember 2018) der Überwachungskommission gem. § 11 Abs. 3 S. 4 TPG und Prüfungskommission gem. § 12 Abs. 5 S. 4 TPG
227 Seiten, veröffentlicht am 06.12.18 (PDF-Format)

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